Die Busrundfahrt entlang der Elbe am 13. April 2025 bildete den Auftakt zur Veranstaltungsreihe „80 Jahre Kriegsende im Elbe-Röder-Dreieck“ und war gleichzeitig Teil des regionalen Entdeckertages Sachsen. Die Busrundfahrt wurde gemeinsam mit der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain geplant und durchgeführt.
Der Start der Busrundfahrt war auf 10 Uhr terminiert, dennoch fand sich ein Großteil der über 30 Teilnehmenden weit vorher auf dem Parkplatz der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain ein. Die Zeit wurde genutzt und das Außenareal sowie die Ausstellungsräume besucht. Bei strahlendem Sonnenschein und pünktlich um 10 Uhr stellten Herr Spindler von der Gedenkstätte sowie Herr Steuer vom Elbe-Röder-Dreieck e. V. sich und die anstehende Tour vor. Die heutige Route führte über Lorenzkirch und Kreinitz und deckte somit zwei von drei wichtigen Orten der historischen Erstbegegnung zwischen US-Armee und Roter Armee ab. Der dritte Ort in diesem Zusammenhang ist nicht etwa Torgau, sondern Burxdorf – ein paar Kilometer weiter nördlich von Kreinitz gelegen. Aber dazu später mehr.
Nachdem das Organisatorische geklärt war, konnte es auch schon losgehen. Während der kurzen Fahrt nach Lorenzkirch wurden die Businsassen über den historischen Kontext des regionalen Geschehens im April 1945 informiert.
Im Februar 1945 wurde eine Pontonbrücke zwischen Strehla und Lorenzkirch gebaut, zunächst um Menschen von West nach Ost zu transportieren – später zumeist in die andere Richtung. Lorenzkirch und die an der Elbe gelegenen Wiesen wurden zu einem Nadelöhr für zehntausende Menschen: Flüchtlinge, von weither, aber auch Zivilist:innen aus der näheren Umgebung sowie Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter:innen und Wehrmachtsangehörige. Gleichzeitig trieben SS und Wehrmacht KZ-Häftlinge auf sogenannten Todesmärschen über die Brücke.
Am 22. April gegen 17 Uhr gab die Wehrmacht die Pontonbrücke schließlich für den zivilen Übergang frei. Um 20 Uhr versuchte ein Stoßtrupp der sowjetischen Armee, die Brücke einzunehmen, scheiterte jedoch. Daraufhin sprengte die Wehrmacht die Brücke, die noch voller Menschen war. Dabei kam es zu vielen Todesopfern und großer Panik.
Eine ausführlichere Beschreibung finden Sie hier: www.lre-germany.org/lorenzkirch
In Lorenzkirch wurden wir herzlich von Frau Pradella empfangen. Sie war im Jahr 1945 erst neun Jahre alt, doch ihre Erinnerungen an die Sprengung der Pontonbrücke durch die Wehrmacht und an die vielen dabei getöteten Menschen – sind bis heute lebendig. Auch die folgenden Kampfhandlungen hat sie eindrücklich in Erinnerung behalten.
Wir trafen uns am Massengrab auf dem Friedhof von Lorenzkirch. Besonders emotional ist die Erinnerung an all die Toten auf den Elbwiesen. 51 wurden in dem Massengrab beerdigt – Frauen und Männer, Soldaten und Kriegsgefangene, genauso wie Zwangsarbeiter:innen und Zivilist:innen vieler Nationalitäten. Hunderte weitere Tote wurden in anderen Massengräbern in der unmittelbaren Nähe beigesetzt oder liegen immer noch irgendwo auf den Elbwiesen begraben. Sie alle sind Opfer der Kampfhandlungen zwischen dem 22. und 24. April 1945.
Über 35 Jahre pflegte Frau Pradella das Grab, um an die schrecklichen Kriegstage zu erinnern. Für sie war ihr Leben lang klar: So etwas Schreckliches darf sich nie wiederholen. Die Teilnehmenden der Bustour konnten im Anschluss an ihre Erzählungen noch Fragen stellen, unter anderem über den Umgang im Dorf mit dieser kollektiven Erinnerung. Frau Pradella engagiert sich seit vielen Jahren in ihrem Heimatort und setzt sich für die Erinnerungskultur und das Gemeinschaftsleben in Lorenzkirch ein. Bereits anlässlich des 75. Jahrestages der Elbe Begegnung bei Torgau hat Frau Pradella Ihre Erinnerungen mit dem Förderverein Europa Begegnungen e.V. geteilt: https://www.vesteburg.com/begegnung/beg_pradella.html
Die nächste Station der Bustour lag nur wenige Hundert Meter weiter: Das „Haus der Begegnung“, ebenfalls noch in Lorenzkirch. Hier wurden wir von Herrn Weidner empfangen. Das Geburtshaus seines Vaters steht an jenem Ort, an dem es am Mittag des 25. April 1945 zur Begegnung zwischen Soldaten der US-Armee und der Roten Armee kam. Ein historisches Foto hielt dieses Zusammentreffen fest. Eindrücklich erzählte Herr Weidner von dem Treffen und teilte weitere interessante Geschichten rund um den Ablauf der ersten historischen Begegnungen vor 80 Jahren.
Im April 1945 rückten sowohl die Westalliierten als auch die sowjetische Armee auf die Elbe vor. Eine zuvor festgelegte Demarkationslinie zwischen Mulde und Elbe wurde vereinbart. Ab dem 24. April starteten verschiedene amerikanische Patrouillen in Richtung Elbe, um Kontakt mit der Roten Armee aufzunehmen. Der historische Erstkontakt gelang der Kotzebue-Patrouille. Nach einem Kontakt mit einem einzelnen sowjetischen Reiter bei Leckwitz trafen sich bei Strehla/Lorenzkirch zum ersten Mal die Alliierten auf dem Landweg.
Eine ausführlichere Beschreibung finden Sie hier: www.lre-germany.org/lorenzkirch
Aufgrund der schweren Zerstörungen und der zahlreichen Toten infolge der Kampfhandlungen und der Sprengung der Elbbrücke am 22. April 1945 wurde Lorenzkirch als ungeeignet für ein offizielles Foto des historischen Zusammentreffens eingeschätzt. Die US-amerikanische „Kotzebue-Patrouille“ unter Leutnant Albert Kotzebue wurde deshalb zurück nach Strehla geschickt und setzte kurze Zeit später, ein paar Kilometer weiter, bei Kreinitz erneut über die Elbe.
Ein besonderes Highlight der Tour ergab sich durch einen glücklichen Zufall: Herr Jeromin, Bürgermeister der Stadt Strehla, war gemeinsam mit Herrn Franke, dem Vorsitzenden des Fördervereins Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain e. V., und Ted Polowsky, dem Sohn von Joe Polowsky, gerade in Lorenzkirch anwesend.
Für die Teilnehmenden der Bustour ergab sich dadurch eine einmalige Gelegenheit: Fragen direkt an den Sohn eines US-Soldaten zu stellen, der 1945 selbst Teil der „Kotzebue-Patrouille“ war. Ted Polowsky erklärte, dass in seiner Familie lange Zeit kaum über die Kriegserlebnisse des Vaters gesprochen wurde – das Thema wurde eher verdrängt. Er berichtete aber auch vom unermüdlichem Friedenseinsatz seines Vaters, um den „Schwur an der Elbe“ in seiner Heimat wachzuhalten. 1945 hatten sich die anwesenden Soldaten geschworen, alles zu tun, um künftig einen neuen Krieg zu verhindern – ein Einsatz, für den Joe Polowsky später teils als „unamerikanisch“ bezeichnet wurde. Auch die Beweggründe, warum sich Polowsky in Torgau bestatten ließ, wurden erklärt.
Ted Polowsky ist anlässlich der Feierlichkeiten rund um den 25. April 2025 zu Besuch in der Region – den historischen Orten, an denen sich 1945 amerikanische und sowjetische Soldaten begegneten.
Die letzte Station der Busrundfahrt war der drei Kilometer nördlich gelegene Ort Kreinitz. Am Parkplatz wurden wir direkt vom Kulturverein Kreinitz in Empfang genommen. Aufgrund der Anzahl der Teilnehmenden teilte sich die Gruppe auf. Ein Teil ging zuerst zum Gedenkstein an der Elbe, wo vor 80 Jahren die Kotzebue-Patrouille mit ihren Jeeps nach Kreinitz übersetzte. Die andere Gruppe wurde durch den Ort zum hiesigen Museum der Begegnung geführt. Neben vielen Details zur historischen Begegnung bekamen wir auch interessante Einblicke in die Geschichte und das Leben im Ort Kreinitz. Danach wechselten die Gruppen ihre Stationen und setzten die Rundgänge fort.
Nach dem Stopp in Kreinitz führte die Tour zurück zur Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain. Auf der Rückfahrt wurden die Teilnehmenden außerdem über die Ereignisse in Burxdorf informiert – denn auch dort trafen sich kurz darauf Gesandte beider Armeen.
Nach dem Eintreffen in Kreinitz fuhren die amerikanischen Soldaten mit ihren Jeeps weiter nach Burxdorf. Dort kam es zu Feierlichkeiten. In Burxdorf war auch ein Generalmajor der Roten Armee anwesend. Als Kotzebue mit seinen Begleitern wieder nach Kreinitz zurückkehrt, trifft er dort auf Major Craig und dessen Patrouille.
Eine ausführlichere Beschreibung finden Sie hier: www.lre-germany.org/lorenzkirch
Wie wir erfuhren, nutzten einige Gäste diesen Hinweis und reisten nach der offiziellen Bustour eigenständig weiter nach Kreinitz, um die historischen Orte auf eigene Faust zu erkunden.
Zurück in der Gedenkstätte, gab es noch eine kurze Abschlussrunde und die Chance über das Erlebte zu sprechen.
Die rege Teilnahme und das hohe Interesse zeigen, dass das Thema nach wie vor nichts an Aktualität eingebüßt hat und auch im ländlichen Raum erfolgreich und öffentlichkeitswirksam bearbeitet werden kann.
Mit vollem Bus, viel Interesse und bewegenden Eindrücken blicken wir auf eine gelungene Entdeckungstour zurück.
Vielen Dank an alle Beteiligten – insbesondere an unsere Zeitzeug:innen und Expert:innen vor Ort!
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Zwischen dem 13. April und dem 6. Mai 2025 finden mehrere Veranstaltungen im und an das Elbe-Röder-Dreieck angrenzenden Orten statt. Unter der Schirmherrschaft von Landrat Ralf Hänsel haben sich zahlreiche gesellschaftliche Akteurinnen und Akteure zusammengeschlossen, um an die historischen Ereignisse in der Region zu erinnern.
Wer sich vertieft mit den Geschehnissen rund um den ersten Landkontakt zwischen den Westalliierten und der Roten Armee beschäftigen möchte, findet hier einen lesenswerten Artikel: https://www.lre-germany.org/lorenzkirch/