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Industriegeschichte Nünchritz

Titel: Industriegeschichte Nünchritz
Standort: Nünchritz auf dem Elberadweg Richtung Leckwitz; Höhe Kläranlage Wacker

Chemiestandort mit über 100 Jahren Tradition –
eine beeindruckende Erfolgsgeschichte

 

Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich die Friedrich-von-Heyden AG mit der Herstellung von Salicylsäure – dem Ausgangsstoff für die Herstellung von Aspirin® – einen Namen gemacht. Um die Produktion auszubauen, erwarb sie 1899 nahe dem Dorf Nünchritz ein Stück Land und errichtete eine neue, großzügige Chemiefabrik – das Werk Weißig. Ausschlaggebend waren die nahe Eisenbahnstrecke Dresden – Riesa – Leipzig, die Lage an der Elbe und die Straßenanbindung.

Bereits 1902 wurde die Schwefelsäureanlage für die Salicylsäureherstellung in Radebeul angefahren. In die ersten Jahrzehnte des 20.Jahrhunderts fällt auch der infrastrukturelle Ausbau des Werkes wie die Errichtung der ersten Wasserbrunnen oder der Bau einer Hafenanlage. Einige markante Bauten aus dieser Zeit prägen bis heute das Gesicht des Werkes: so das Pförtnerhäuschen an der Meißner Straße, errichtet 1922, der Wasserturm neben der (heutigen) Feuerwache von 1901 oder der Kugelwasserturm von 1918/1919, der heute vor den Destillationskolonnen der Polysiliciumanlagen steht.

Bis 1945 überwog die Produktion von anorganischen Massenprodukten. Neben Schwefelsäure waren dies u.a. Oleum, Natronlauge, Kalilauge, Ätzkali, Wasserstoff, Chlor und Salzsäure. Während des Krieges florierte zudem das Geschäft mit Saccharin.

Nach Kriegsende erfolgten Enteignung und Demontage durch die russische Besatzungsmacht. 1946 begann der Wiederaufbau, 1947 wurde die Schwefelsäureanlage wieder in Betrieb genommen. 1948 wurde der Chemiestandort als VEB-Schwefelsäure und Ätznatronwerk Nünchritz in Volkseigentum überführt.

Mit Beginn der 50er Jahre vollzog sich in Nünchritz ein grundlegender Strukturwandel. Die Basis dafür war die Erfindung der direkten Synthese von Methylchlorsilanen aus Silicium und Chlormethan durch Richard Müller und Eugene Rochow. Auf der sogenannten Müller-Rochow-Synthese basiert heute noch die großtechnische Herstellung von Siliconen. 1954 wurde diese Erfindung in Nünchritz in die Produktion umgesetzt. 1955 startete die Produktion von Siliconprodukten mit Siliconlack und Siliconöl, in 1963 kam die Herstellung von Siliconkautschuk hinzu. Es folgten Weiterentwicklungen und Ausbauten. Mit Inbetriebnahme der Trichlorsilananlage diente das Chemiewerk in Nünchritz auch als Rohstofflieferant zur Versorgung der DDR-Mikroelektronik mit Halbleitersilicium. Mit der Spezialisierung auf Siliconprodukte bekam das Werk einen neuen Namen: VEB Chemiewerk Nünchritz.

Nach der Wende erhielt die Hüls AG mit ihrem anspruchsvollen Sanierungs- und Beschäftigungskonzept den Zuschlag für die Übernahme der Chemiewerk Nünchritz GmbH. Trotz Investitionen in Höhe von mehreren hundert Millionen D-Mark mussten rund 900 Arbeitsplätze abgebaut werden (das waren 57 Prozent der Arbeitsplätze von 1991). Als die Hüls AG zur Degussa-Hüls AG fusionierte, bereinigte sie auch ihr Geschäftsportfolio und trennte sich wieder von dem Werk an der Elbe. WACKER nutzte die Chance, unterschrieb am 27. November 1998 den Kaufvertrag für das sächsische Werk – und legte damit den Grundstein für eine erfolgreiche Zukunft.

Heute werden hier chemische Produkte auf Silicium-Basis hergestellt. Die Silicone aus Nünchritz haben aufgrund ihrer vielfältigen Eigenschaften ein sehr breites Anwendungsspektrum. Sie werden als elastische Kleb- und Dichtstoffe im Baubereich eingesetzt, aber auch als Antischaummittel in Kläranlagen, Lebensmitteln, Waschmitteln oder Produktionsanlagen. Baumaterialien wie Gipskartonplatten oder Ziegel werden mit Siliconen imprägniert und geschützt. Das hochreine polykristalline Silicium aus Nünchritz wird auch zur Stromerzeugung aus Sonnenenergie genutzt. Dazu wird das Silicium eingeschmolzen, zu hauchdünnen Wafern geschnitten und mit den entsprechenden Schaltungen versehen.

Um den Standort weltweit wettbewerbsfähig zu machen, hat WACKER zwischen 1999 und 2012 rund 1,5 Mrd. Euro in Nünchritz investiert. Die Produktionsanlagen bilden ein hochintegriertes Verbundsystem, das eine maximale Verwertung bzw. Recycling von Nebenprodukten sicherstellt. Mit dem Bau der Produktionsanlagen für Solarsilicium, dem vorerst letzten großen Meilenstein des Werkausbaus, wuchs die Belegschaft auf über 1.400 Mitarbeiter, davon im Schnitt gut 80 Auszubildende. Das WACKER-Werk in Nünchritz ist der größte Chemiearbeitgeber Sachsens.

 Quelle: Wacker Chemie AG